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Stottertherapie nach dem Grundkonzept von Charles van Riper

Charles van Riper | Non-avoidance-Konzept | Die Therapie als Intervalltherapie | Der Therapieplan

Charles van Riper

Am 1.12.1905 wurde einer der bekanntesten und wichtigsten Stottertherapeuten geboren. Zeit seines Lebens beschäftigte er sich mit dem Phänomen des Stotterns. Er selbst war schwer von diesem Leiden betroffen, wohl gerade deshalb wurde er Sprachpathologe und Psychologe. Dr.Van Riper musste als Kind und Jugendlicher viele verschiedene Therapien und Institute über sich ergehen lassen, die eine Heilung des Stotterns versprachen. Selbst Psychotherapie und selbsternannte Stotterexperten brachten ihm in keinerlei Form Linderung. Seinen Mitmenschen und Eltern war die Art seines Sprechens derart unangenehm, dass er , wenn Gäste geladen waren, nicht am gemeinsamen Mittagstisch teilnehmen durfte.

Logopädeninstitute lehnten Van Riper wegen seiner Sprechsymptomatik ab, so inskribierte er an der Northern Michigan University und an der University of Michigan und konnte in kurzer Zeit – trotz seines heftigen Stotterns – in Medizin und Englisch erfolgreich sein Studium beenden (Bachelor – Grad). 1930 ging er an die Universität von Iowa, promovierte in Psychologie und unterrichtete Studenten.

Es war auch in Iowa, wo er an dem damals einzigen akademischen Institut für Sprach – und Sprechstörungen der USA in den 30-ern mit den sehr bekannten Stotterexperten wie Johnson, Travis oder Bryngelson das sogenannte Non-avoidance-Konzept entwickelte. Es revolutionierte die bisher gebräulichen Therapiegrundsätze.

1936 wurde er an die Western Michigan University in Kalamazoo berufen und baute die erste Sprachklinik im Staate Michigan auf. Hier konnte er forschen und lehren und fand bereits in den späten 30-er Jahren heraus, dass die Art und Dauer der Sprechblockade vor allem davon abhängt, wie sich der Stotternde ganz unmittelbar vor der Aussprache des “gefürchteten“ Wortes verhält.

Dr.Charles Van Riper hinterließ am 26.9.1994 ein Vermächtnis von 35 Büchern, zahlreiche Fachartikel, Forschungsberichte, über 200 Publikationen und viele Briefe – er beantwortete jeden Brief von Hilfesuchenden persönlich. Eines seiner Bücher war das erste amerikanische Lehrbuch der Sprachpathologie und das Buch: „Behandlung des Stotterns“ wurde in Deutsch, Französisch, Finnisch, Spanisch, Japanisch, Koreanisch, Arabisch und in die Brailleschrift übersetzt.

Er kannte und half tausenden Stotternden als Wissenschaftler, Therapeut, Lehrer und Mensch. Van Riper widmete sein Leben einem Phänomen, das sogar heute noch ein Tabuthema ist, weil es vielleicht wie kein anderes einen Menschen so lähmt, ohnmächtig, hasserfüllt, hilflos, beschämt und minderwertig machen kann.

Non-avoidance-Konzept:

Dieses Konzept beruht auf „Nicht-Vermeidung“. Der Stotternde lernt nicht vordergründig, flüssig zu sprechen oder sogar sein Stottern zu ignorieren, sondern er lernt besser zu stottern.

Van Riper erkannte, dass der Patient nicht lernen muss, flüssig zu sprechen, was ihm von Natur aus mitgegeben ist, sondern dass er lernen kann, adäquat auf sein Stottern zu reagieren, indem er das Stottern erst “erfährt“. Der Betroffene wird phonetisch geschult und ernst genommen. Somit vermindert sich das Anstrengungsverhalten und durch die richtige Reaktion befreit sich der Stotternde von seinen Blockaden.

Die Therapie als Intervalltherapie:

Intervalle bieten die Möglichkeit, das Erlernte im Alltag umzusetzen.

Die Therapie erstreckt sich über ein ganzes Jahr und findet vier mal für 5 Tage in Folge statt. Zwischen diesen Therapiewochen bleibt jeweils eine Pause von 4 bis 6 Wochen. Nach dem vierten Intervall wird ein halbes Jahr Pause eingeschoben und mit einem Abschlusswochenende die Therapieerfolge besiegelt. Auf diese Weise ist die Langzeitwirkung besser als bei Einzeltherapien.

Der Therapieplan:

Die Therapie umfasst 4Phasen, die wie Zahnräder ineinander greifen:

  • I. Identifikation
    Der Betroffene wird in all seiner pathologischen Symptomatik erfasst und im Bereich der Phonetik ausgebildet, damit er erkennt und lernt, das Stottern von den Sekundärsymptomen zu unterscheiden.
  • II. Desensibilisierung
    Man versucht, die Blockaden gelassener auszuhalten, um all die Ängste und negativen Abläufe aufzubrechen und zu bearbeiten. Telefonate und Übungssituationen im Freien sind ganz wichtige Bestandteile.
  • III. Modifikation
    Hier wird das gestotterte Wort in einer sehr verlangsamten Form gesprochen, um dem Sprechdrang entgegenzuhalten. Diese Nachbesserung entpuppt sich stets als mächtiges Instrument in der Arbeit mit dem Stottern.
  • IV. Stabilisierung
    Nun ist alles bereit für den Pull-out: eine bemerkenswerte Sprechtechnik, die weder die Person noch den Inhalt des Gesagten verzerrt oder verfremdet – ein eben besseres Stottern.

Beim Abschlusswochenende hat man die Möglichkeit, bei eventuell aufgetretenen Problemen, Umstrukturierung der Lebenssituation, etwaigem Erfahrungsaustausch behilflich zu sein. Das Geübte wird erneut erprobt, evtl. verbessert und stabilisiert.